Jauchzet frohlocket, lobpreiset die Tage
( die etwas andere Adventsgeschichte )
Alle Jahre wieder trafen sich die Englein des LVRR, um dem Glühweinduft folgend, einen Weihnachtsmarkt heimzusuchen. Im letzten Jahr noch wegen Infektionskrankheiten und diversen Regeln ausgefallen, durfte das Event nun bei lausiger Kälte stattfinden. Treffpunkt war das alte Rathaus in Hattingen und alsbald trafen die ersten Kumpel ein, die eine qualmende Heizung im Mund hatten. Inge, unsere Organisatorin sorgte sich, ob nicht doch jemand daheim auf dem warmen Sofa bleiben wollte. Nach und nach trudelten jedoch die unverzagten Mitglieder ein. Einen Biker kann einfach nichts erschüttern. Kirsten erschien strahlend und wurde gleich gefragt, ob Ingo denn aufgestanden und wach sei. Ihre Miene verfinsterte sich, denn sie weiß sich für Ingos Schlafgewohnheiten nicht mehr zuständig. Ingo hatte sich jedoch in einer Apotheke gestärkt und eilte heran wie Lazarus im Morgentau entsprungen. Sogleich erfüllte er seine Aufgabe und bedankte sich bei Inge für ihre fleißige Organisation, schließlich ist er der Bedanker vor dem Herren. Die zunächst neun Vermissten fanden auch den rechten Weg. Selbst der Grüffelo mit einem blauen Monsterchen erreichte unsere Truppe. Die amtlich vereidigten Stadtführer gesellten sich zu uns. Da ich schon neben der freundlichen Dame stand, blieb ich dort, ich glaube der andere Führer war jedoch lustiger. Wir waren insgesamt ca. 30 Wissbegierige, daher mussten wir uns aufteilen. Aufmerksame Nostalgiker verhinderten einst, dass die hübschen Fachwerkhäuser in Hattingen Neubauten weichen mussten, so gab es nun einiges darüber zu berichten. Wir starteten am alten Rathaus, welches früher mal die Markthalle für den Fleischverkauf war, gleichzeitig konnte man Unholde direkt in den Kerker werfen. Wir zogen nun an den hübschen Häusgens vorbei. Wir sahen das erste Kreditinstitut Westfalens, wo das Ersparte in einer Truhe aufbewahrt wurde. Das Geld wurde irgendwie weniger, aber die Frau des Bankers war stets auffallend gut gekleidet. Wir durften das Bügeleisenhaus bewundern, so genannt wegen seiner Form. Fachwerkhäuser wurden immer mit Mist zwischen dem Gerippe gefüllt. Das nenne ich nachhaltig, wenn man nicht weiß, wohin mit dem Schei……gab es doch eine sinnvolle Nutzung.
Wir erfuhren, dass der Kirchturm der St. Georgskirche der Legende nach deswegen so schief ist, weil er sich bei der Hochzeit der ersten echten Jungfrau in der Kirche verneigen sollte und bei der nächsten wieder aufrichten mochte. Da waren die Hattinger Jungfrauen wohl schnell aus. Woher der Turm das nur alles wusste? Wir zogen weiter und besichtigten die Hattinger Stadttore und die Mauer. Hattingen hatte versucht, alle Tore mit Kunstwerken zu gestalten. Carla und Konrad rümpften die Nasen. Konrad wollte gar aufräumen. Wir einigten uns darauf, dass jegliche Form von Kunst Geschmackssache bleibt. Da die Tore heute nicht mehr zur Abendzeit geschlossen werden, gingen wir ohne Torschlusspanik weiter. Wir erfuhren noch, dass Hattingen steinreich war, sonst hätte die Mauer aus Holz gebaut werden müssen. Wir erreichten nun die drei Eisenmänner. Das sind Skulpturen, die daran erinnern sollen, dass Hattingen einst ein Stahlstandort war. Dieses Kunstwerk erregte einst die
Gemüter der braven Hattinger Bürger, da die Objekte irgenwie nackig sind. Am ganzen Körper rostig, doch halt!…….am ganzen Körper? In der Mitte, dort wo auch beim menschlichen Mann das beste Stück sitzt, war das Kunstwerk merkwürdig blank. Hatte jemand Mitleid und ausgerechnet diese Stelle gebürstet und mit Rostumwandler behandelt, oder wird diese magische Stelle besonders häufig berührt? Es könnte ja Glück bringen. Die Teile waren auf jeden Fall mit großen Muttern gut verschraubt. Man weiß ja nie. Vielleicht hatten sich ja Klimakleber schon dort angetackert. Auf unserer Wanderung durch die engen Gassen kamen wir auch an einem Haus mit Überhang vorbei. Hier war die Toilette untergebracht und die Notdurft landete praktischerweise gleich auf der Straße. Hier wage ich einen Exkurs zur anderen Truppe unserer Führung. Inge wagte dort einen Blick nach oben und hätte es( beinahe ) kommen sehen, würde sie noch im Mittelalter leben. Der nette Stadtführer erzählte nun die Geschichte, dass früher die Untergebenen die Toiletten für ihre Herrscher vorwärmen mussten. Daher käme der Begriff “ Vorsitzender .“ Die “ Beisitzer “ sind dann sicher die Personen, die das Wischmaterial anreichen oder den Kurzarmigen aushelfen. Unser lieber erster Vorsitzender Stefan schenkte dem Gerücht allerdings keinen Glauben. Er hat jedoch nur teilweise recht. Bei den alten Römern gab es tatsächlich die Sitte, dass Sklaven die Latrinensitze aus Marmor anwärmen mussten. Diese Jungs wurden aber schlicht “ Vorwärmer “ genannt. Im Mittelalter gab es jedoch sogannte Abtrittanbieter, verunglimpfend auch “ Pisspagen „ genannt. Diese transportierten zwei Eimer, die an einem Joch hingen und boten diese unter ihrem weiten Mantel zum Verrichten der Notdurft an. Quasi der Vorreiter des modernen Dixiklos. Auf unserem Clubgelände in der Eifel mag es sicher den einen oder anderen Vorwärmer geben, immer dann, wenn mehrere Leute kurz hintereinander die Toilette benutzen. Der Pisspage ist dann derjenige, der die Gießkanne wieder mit Wasser befüllt und der Kotkratzer bewegt behende bemüht die Bürste.
Nun kehre ich zurück zu meiner Truppe. Wir passierten noch die Marmor Statue Hattingia, die auf dem Kirchplatz vor der Lateinschule thront. Die Dame hatte vor nicht langer Zeit für 3000€ eine Brust Renovierung, die besonders Konrad gänzlich Misslungen fand. Ein wenig graue Farbe würde der auffällig weiß leuchtenden Brust sicher nicht schaden. Aber vielleicht erlitt sie ein ähnliches Schicksal wie die Rostmänner und irgendjemand hat zu viel an der Brust gerieben. Die Kaufverträge, die im Stadtweinhaus geschlossen wurden, waren erst rechtswirksam, wenn man einen darauf getrunken hatte und alles mit einem viertel Wein besiegelte. Wir waren nun im Bilde über die Stadt Hattingen und das Mittelalter. Unsere Führung endete vor dem Restaurant Bänksken. Dort waren wir die Ersten, aber nicht die Letzten. Die wunderschönen Ereignisse möchte ich nach Heinz Erhardt abkürzen. Alles in G
Geschäft gesehen, Gerichte gerochen, Gelüste gehabt, gute Gelegenheit, gut gesessen, Getränk gefällig? Gewiss, gewiss, genialer Gedanke. Getränk geordert. Gerichte gegessen, Gerichte genossen, gut geschmeckt. Getränk getrunken, gewartet, Genossen getroffen. Gute Gespräche geführt. Glücklich gefühlt. Genug gehabt, gepinkelt. Geld gegeben, gut gefüllt und gesättigt und gut gelaunt gegangen, Gelände gefunden.
Nachdem wir nun Zeit für uns hatten, gingen wir in losen Gruppen über den Weihnachtsmarkt der Innenstadt. Wir landeten an einem Stand mit großen rostigen Tieren, die gar nicht wenig kosteten. Plötzlich rempelte ein garstiges Fröllein Ingo und mich an und behauptete, wir würden im Weg stehen und sollten uns gefälligst auf die Seite stellen. Ingo streckte sich zu seiner vollen Größe. Ein Ingo steht niemals im Weg herum. Dort wo er gestanden hat, hinterlässt er geweihte Erde. Bevor Ingo handeln und ausrufen konnte :“ Gesäß getroffen, gemeines Gesindel “ konnten wir ihn beruhigen und zum Glühweinstand befördern. Dort gab es “ gutes Gesöff “ und wir wurden alle wieder fröhlich. Bald schon verabschiedeten sich Junker Jörg und Renate. Auch Ingo und Kirsten hatten plötzlich Heimweh und verließen uns. Wir setzten unseren Rundgang fort. Dann erfuhren wir, dass Axel und Iris sich Frau Holle und das Öffnen des dritten Adventstürchen am alten Rathaus ansehen wollten. Oh Gnade, Gnade, verleih uns Frieden gnädiglich, warum nur folgten wir dem Ruf der Ahnungslosen. Wir erreichten den Platz vor dem Rathaus, der schon sehr gut besucht war. Es half nichts hinten zu stehen, denn in den Fenstern wurden Lautsprecher platziert. Die Stadt Hattingen hatte sicher wie heute üblich eine Stellenausschreibung gestartet : “ Frau Holle gesucht, männlich, weiblich, divers. “ Bis zum Schluss konnten wir nicht ausmalen, ob es sich um Herrn Holle oder Frau Hölle handelte. Die Gestalt im Rathausfenster bewarf die armen Kinder in den vorderen Reihen mit Federn aus ihrem Kopfkissen und alten Karamelbonbons in Goldfolie. Sie erzählte ellenlange Geschichten mit monotoner Stimme. Dazwischen forderte sie uns mit Gesängen. In jedem Lied versuchte sie sich an mehreren Tonarten, die nicht genau definierbar waren. Ich musste weinen. Ich hatte der grausigen Gesänge genug gehört. Zum Glück fand die Vorstellung ihr Ende und ich konnte endlich aufs Klo. Wir überließen unsere Motorradfreunde ihrem weiteren Schicksal. Es wird wohl alles gut gegangen sein, auf dem Wohnmobilstellplatz und im heimischen Bettchen. Bis zum nächsten Jahr! 2023! Und natürlich danken wir der lieben Inge für ihre gute Organisation!👍❤